Reisebericht 37 / Bonito (Brasilien) - Rurrenabaque (Bolivien) / 8. September 2011 - 6. Oktober 2011 / 86'900 km - 89'100 km
Reiseroute: Bonito (Brasilien), Miranda, Südpantanal, Corumba, (Grenze nach Bolivien), Aguas Callientes, Santa Cruz de la Sierra, Samaipata, Cochabamba, La Paz, Coroico, Rurrenabaque
Das grösste Feuchtgebiet der Erde
Der Artenreichtum und die Vielfalt der Fauna Brasiliens ist atemberaubend. Das Land steht an erster Stelle in der Welt bezüglich der Artenanzahl von Primaten, Amphibien und Pflanzen, an dritter Stelle bei den Vogelarten und an vierter Stelle bei den Schmetterlingen und Reptilien.
Der Amazonas mag berühmter sein, um jedoch Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben, ist der Pantanal mit Sicherheit der geeignetere Ort. Dieses ungeheuer große Schwemmland, dessen Fläche etwa halb so groß wie Frankreich ist, liegt im äußersten Westen Brasiliens und erstreckt sich bis in die Grenzgebiete von Bolivien und Paraguay. Das riesige Naturparadies ist Brasiliens grösste ökologische Attraktion. Hier lebt eine Fülle an Tieren und Pflanzen, wie sie sonst nirgendwo in Südamerika zu finden ist. Während der Regenzeit überschwemmt der Rio Paraguai einen grossen Teil der niedrig gelegeneren Gebiete und die Tiere versammeln sich auf den trockenen Inseln. Jetzt in der Trockenzeit sind die Tiere bei den verbleibenden Wasserlöchern gut zu besichtigen
Westlich von Miranda fahren wir eine erste Stichstrasse ins südliche Pantanal rein. Eigentlich wäre das eine Rundtour, aber die letzten starken Regenfälle haben etliche Brücken beschädigt und die Grösste komplett weggerissen. Somit heisst es für uns bei der Brücke 24 Endstation und wir bleiben ein paar Tage bei einer kleinen Eco-Lodge stationiert. Dieser Platz ist ein idealer Ausgangspunkt für Exkursionen in den Dschungel und Bootstouren durch die verzweigten Flussläufe des Überschwemmungs- Deltas.
Schon die erste Nacht hat einige Überraschungen auf Lager. Die Wiese vor unserem Wohni ist erhellt von abertausenden von Glühwürmchen, welche uns ein zauberhaftes Lichtspiel aus winzigen Punkten bescheren. Ein prächtiger Sternenhimmel funkelt, nur ein paar vereinzelte Wölkchen ziehen bedächtig vorbei. Der Vollmond beleutet die Umgebung mit seinem bleichen Schein. In der Ferne hört man das Geschrei von Brüllaffen, die Grillen stimmen ihr Liedchen an und die Frösche versuchen mit ihrem Gequake alles noch zu übertönen. So idillisch es sich anhört, vor Ort sieht es anders aus. Hätten wir uns nicht mit langen Hosen und Hemden geschützt, zudem die restlichen freien Flächen dick mit Moskitomitteln besprüht, wir wären buchstäblich von diesen blutgierigen Plaggeistern gefressen worden. Wenigstens kühlt es in der Nacht ab, sollte man meinen! Ein wenig schon, von 37°C auf 31°C. So liegen wir auf unseren feuchten Matratzen, haben zur Akühlung ein feuchtes Tuch über unsere glühenden Körper gelegt, der batteriebetriebene Ventilator steht auf unseren Bäuchen und bläst uns den heissen Tropfenwind um die Ohren. Und so soll man schlafen!
Am nächsten Morgen versuchen wir uns beim Piranhas Fischen. Eigentlich wäre das Fangen dieses räuberischen, südamerikanischen Fisches ein Kinderspiel, wenn mir nur nicht immer der Kaiman, ein südamerikanisches Krokodil, den Köder von der Angel gefressen hätte. Kaum hängt der mit Rindfleisch bestückte Hacken im trüben Wasser, kommt das Kroki und schnappt nach dem Köder. "Geh doch ein wenig schwimmen" sage ich zu Ruth, "so wird das gefrässige Vieh abgelenkt und ich kann in Ruhe angeln". Ich ernte einen bösen Blick und Ruth versucht den Kaiman mit Rufen und Holzstücke ins Wasser werfen auf eine andere Art abzulenken. Das funktioniert und innert kürzester Zeit hängen 8 Piranhas an der Angelschnur. Bevor wir den Dreh jedoch raushatten, fütterten wir die Fische. Etliche Male zogen wir nur den leeren Angelhacken aus den braunen Gewässern, während dem sich die Fische genüsslich mit unserem Fleisch den Magen vollstopften und sich gewiss ein paar Witze über den Anfänger von Fischer machten. Doch alles hat mal ein Ende! Wichtig beim Piranhas fischen ist, sobald sich die Angelschnur nur ein klein wenig bewegt, sofort stark und ruckartig ziehen. Das Menu für heute Abend wird per sofort geändert. Anstatt Salat gibt es nun frittierte Piranhas mit Reis. Diese Fische erinnern uns ein wenig an die Eglis zu Hause, nur dass sie mehr Geräte haben und weniger Fleisch. Lecker sind sie aber trotzdem.
Früh morgens heuern wir einen einheimischen Führer an, der uns mit seinem Boot durch das grüne Labyrinth des Dschungels kurvt. Träge gluckert das braune Wasser gegen den Rumpf des Schiffchens. Brüllaffen schwingen sich durch die Bäumen, farbige Loris fliegen kreischend über unsere Köpfe, Capibaras, das sind Wasserschweine, die aussehen wie überdimensionale Meerschweinchen, grasen friedlich hinter einer Flussbiegung, Eisvögel stechen wie eine Rakete ins Wasser und tauchen mit einem Fisch im Schnabel wieder auf und Kaimane in grosser Zahl lassen sich von der Sonne aufwärmen. Nicht nur die Flüssen, auch die Wasserlöcher wimmen von Piranhas und Krokodilen. Träge liegen diese Reptilien mit ihrem urtümlichen Rückenpanzer scheinbar reglos am Strand. Das grosse Maul ist weit aufgesperrt und jederzeit bereit, sofort zu-zuschnappen. Schätzungen zu folge, soll es im Pantanal 35 Millionen Kaimane geben. 5x mehr als es Einwohner in der Schweiz gibt. Es ist in Brasilien streng verboten, Alligatoren und Kaimane wegen ihrer Häute oder ihrem Fleisch zu töten. Dennoch bekommt man hier in jedem Restaurant und auch im örtlichen Supermarkt Alligatorenfleisch angeboten. Dabei kann man von dem ganzen Tier nur den obersten Teil des Schwanzes essen. Was übrigbleibt, ist für die Piranhas.
Auf den Bäumen und zwischen den Wasserlilien befindet sich das Symbol des Pantanal. Der "Tuiuiu" oder "Jabiru", der grösste Storch der Welt. Nebst seinem weissen Federkleid besitzt er einen schwarzen Kopf und die typische rote Halskrause, die schon von weitem gut sichtbar ist. Kurz vor uns überquert ein Pantanal-Hirsch die Urwaldpiste. Von den scheuen Jaguaren und Tapiren sehen wir nur die Fussabdrücke im feuchten Uferschlamm.
Eigentlich wollten wir mit Franziska und Felix mit einer Fähre die drei-tages Tour auf dem Rio Paraguay ins Nordpantanal raufschippern, aber der Schiffseigner wollte doch tatsächlich 1000 US Dollar für diese Fahrt. So trennen sich nun unsere Wege, aber nicht bevor wir sie aus dem Dreck gezogen haben. Beim manövrieren gräbt sich der Hidalgo von Felix so tief in den weichen Uferschlamm, dass er nicht mehr vor- oder rückwärts kommt. Nun fahren sie über "Campo Grande" ins Nordpantanal, während wir über La Paz, Bolivien, diesen Teil des Sumpfgebietes erst später ansteuern werden. Es ist zwar ein "Umweg" von einem Monat, aber der Weg ist das Ziel!
Zurück im "echten" Südamerika
"Nach Bolivien ausreisen, das könnt ihr vergessen", meint der brasilianische Zollbeamte. "Die Bolivianer streiken mal wieder und auf der andern Seite ist alles blockiert. Ihr könnt die Ausreise versuchen, aber die Gefahr besteht, dass die aufgebrachte Menge euer Fahrzeug klaut und euch zudem noch ausraubt." Nach dem Grund des Streiks gefragt meint der Hüter der Zollschranke: "Die Bolivianer wollen doch tatsächlich, dass sie die geklauten brasilianischen Autos nicht mehr in ihrer Hauptstadt einlösen müssen, sondern direkt, hier beim Zoll. So müssen sie mit den gestohlenen, brasilianischen Autos einfach über die Grenze und können es sogleich dort einlösen. Aus diesem Grund steht der ganze Grenzverkehr still und weder Mensch noch Fracht kann noch über den Zoll". Andere Länder andere Sitten! So müssen wir nun den heissen (37°C) Tag irgendwie totschlagen und hoffen, dass Morgen der Zoll offen ist.
Und tatsächlich, am nächsten Tag erinnert nichts mehr an die vortäglichen Eskapaden. Ohne Probleme erhalten wir ein 30 Tage Visum und kurze Zeit später rollen wir schon zum 3. Mal auf unserer Reise über den löchrigen Asphalt von Bolivien. Die Strasse führt uns entlang des bolivianischen "Gran Chaco". Die üppige Vegetation Brasiliens weicht immer mehr einer Steppenlandschaft. Unbarmherzig brennt die Sonne auf die verdorrte Landschaft. Einen ersten Halt legen wir in Aguas Callientes ein. Hier befindet sich ein für bolivianische Verhältnisse exellenter Campingplatz. Der Garten mit den Blumen und die sanitären Einrichtungen, alles ist liebevoll gepflegt. Mitten durch diese Idylle fliesst ein glasklarer Fluss. Bei 37°C im Schatten möchte man sich am liebsten sofort in die Fluten stürzen, aber der Fluss ist mit fast 40°C noch heisser.
Santa Cruz ist mit 1,3 Millionen Einwohner die grösste Stadt Boliviens. In dieser Gegend verdienen sich viele mit dem Kokainhandel eine goldene Nase. Noch nie haben wir in Bolivien so viele neue, teure Autos gesehen wie hier, rund um das Stadtzentrum. Auch diese Stadt ist nicht gefährlicher als jede andere dieser Grösse. Natürlich sollte man nicht wie ein Christbaum mit Schmuck behängt duch die Strassen schlendern, sondern den Menschen mit Respekt begegnen.
Eigentlich wollten wir beim bolivianischen Automobilclub übernachten, aber die ganze Anlage ist geschlossen und durch die Gitterstäbe sieht alles ziemlich verwahrlost aus. Wir fragen einen vorbeifahrenden Automobilisten nach dem Grund und er meint: "Im Moment ist alles zu. Ich wohne in der Gegend und ihr könnt gerne bei mir übernachten." Er wendet sein Fahrzeug und wir fahren im hinterher in ein besseres Quartier, das durch einen Sicherheitszaun von den übrigen Gebäuden abgetrennt ist. Antonio, unser Gastgeber, stellt uns seiner Frau Brenda und seinen zwei Kindern vor und schon gehören wir zur Familie. Ruth kocht Spaghetti Napolitana und Brenda steuert selbstgemachte Empenadas bei. Es wird ein geselliger Abend und wir erfahren viel über Politik und die sozialen Gegensätze im Land.
Über Samaipata, das eingebettet in der kühleren Region der "Cordillera Oriental" liegt, fahren wir weiter nach Cochabamba. Es gibt zwei Strassen, die Santa Cruz und Cochabamba verbinden. Die neue, asphaltierte und die alte, die über 100 km Naturstrassen führt. Wir entschliessen uns für die alte und werden mit weniger Verkehr und einer herrlichen Natur belohnt.
In La Paz, wo wir nun schon zum dritten Mal auf der Reise ankommen, besuchen wir natürlich zuerst den berühmtesten Mechaniker Lateinamerikas, die Garage von Ernesto Hug. Öle müssen gewechselt werden, Bremsbelege erneuert und ein lauteres Horn wird montiert, damit wir endlich im südamerikanischen Verkehr auch wahrgenommen werden. Im Hotel Oberland wird wie gewohnt fürstlich und zu einem Spott- Preis gegessen und am nächsten Tag starten wir in die Yungas, das Tiefland von Bolivien. Doch leider wird nichts daraus! Auf dem 4700 Meter Hohen Pass "El Cumbre", der das Altiplano mit den Subtropen verbindet, hat es die ganze Nacht geschneit und für die LKW-Fahrer, die natürlich ohne jegliche Winterausrüstung unterwegs sind, gab es kein Durchkommen. Aus der Zeitung können wir entnehmen, dass die Brummis kreuz und quer in der Passstrasse gestanden haben und es auch einige Unfälle gegeben hat. So fahren wir nun einen Tag später und hoffen, dass sich das gestrige Chaos gelegt hat und die Strasse wieder frei von Eis und Schnee ist. Wir fahren durch den dichten Verkehr von La Paz und unser Suri meistert brav die horrenden Steigungen, die uns aus dem Hexenkessel hinauf auf das Plateau bringen. Steigungen von bis zu 25% sind keine Seltenheit und ohne Untersetzung benötigten wir 20 Mann, die uns den Berg hinauf schieben würden. Zum Vergleich - Die Steigungen hinauf zum Gotthard beträgt nur ca. 12% und lässt ihn im Vergleich zu La Paz wie eine kleine Hügelkuppe erscheinen. Bei jedem Anfahren ächzt die Kupplung und eine schwarze Rauchfahne etweicht dem Auspuff.
Auf dem Pass ist der Schnee in der Zwischenzeit geschmolzen und zwei riesen Brummis, die umgekippt neben der Strasse liegen, zeugen noch vom vergangenen Schneechaos.
Die gefährlichste Strasse der Welt
Inmitten einer gewaltigen Landschaf im Hochland von Bolivien, stürtzt sich die "Camino del muerte", die Todesstrasse, auf einem Höhenunterschied von 3000 m von La Paz nach Coroico. Diese 80 km machen, oder besser gesagt, machten sie zur gefährlichsten Strasse der Welt. Durchschnittlich gab es hier über 100 tödliche Unfälle pro Jahr. Steil und schmal führt sie direkt an der Abbruchkante der Yungas ins bolivianische Tiefland. Senkrecht fallen die Wände, nicht selten über 1000 Meter, schnurgerade in die Tiefe. Die Piste ist so schmal, dass es nur für ein Fahrzeug Platz hat. Das ist auch der Grund, weshalb hier Linksverkehr herrscht. Bei einem Ausweichmanöver muss ich bis an den äussersten Rand der Piste ausweichen und habe stets den Abgrund im Blickwinkel. Zudem hat der Abwärts-Fahrende keinen Vortritt und immer wieder kommt es vor, dass wir zurücksetzen müssen, bis zu einem kleinen Ausweichplatz. So bleibt der Adrenalinspiegel hoch, da es etliche enge Passagen hat, an denen die Strasse abgerutscht ist oder kleine Erdrutsche nur notdürftig beseitigt wurden. Seit 4 Jahren gibt es aber eine asphaltierte Umfahrungsstrasse und so bleibt der Verkehr in Grenzen. Die eigentliche Gefahr geht von den übermütigen Mountainbiker aus, die meist ohne grosse Vorkenntnisse den Berg hinunterrasen. Ob die vielen Kreuze am Wegesrand von den Mounenbiker oder den übrigen Verkehrsteilnehmer sind, wir wissen es nicht! Wir geniessen stattdessen die wechselnde Vegetation. Auf 4000 Meter noch kalt, windig und karg, wird es mit mit jedem Höhenmeter, den wir verlieren, tropischer. Palmen und blühende Sträucher bestimmen das Landschaftsbild. Bunte Vögel zwitschern und der Geruch von feuchtem Tropenholz kitzelt unsere Nasen. Die alte Yunga-Strasse führt uns direkt ins Dorf "Coroico", wo wir uns für eine Nacht beim kleinen Hostal "Sol y Luna" einrichten. Inmitten einer dichten Vegetation hat man einen herrlichen Blick über den immergrünen Dschungel.
Im Amazonastiefland
Am nächsten Tag durchbrechen wir die letzten Bergriegel der östlichen Voranden und befinden uns nun im Amazonastiefland. Nach der angenehmen Kühle in den Hochanden, bekommen wir wieder eine Vorstellung davon, was die Wörter "Hitze" und "Feuchtigkeit" bedeuten. Es ist, als taucht man mit dem Kopf unter Wasser. Wir schwitzen in Strömen, atmen schwer und alles klebt am Körper.
Vor dem Autofenster erstreckt sich der unregelmässig, dunkelgrüne Teppich des Regenwaldes. Doch grosse Teile wurden schon für die Maniok-Gewinnung und die Viehwirtschaft abgeholzt. Durch das Amazonasbecken strömt mehr als ein Fünftel des gesamten Süsswassers der Erde, inclusive unserer Schweissperlen. Die Strasse ist gesperrt und eine lange Fahrzeugkolonne steht vor der Abschrankung. Kein gutes Zeichen! "Ab 18.00 Uhr ist die Piste wieder geföffnet", teilt uns der Bauarbeiter mit, der fähnchenschwenkend wie ein Fluglotse am Strassenrand steht. Für uns heisst das, Endstation für den heutigen Tag, obwohl es erst 15.00 Uhr ist. Etwas abseits der Strasse auf einem Hügel frage ich eine Bauersfrau, ob wir hier neben ihrem kleinen Häuschen übernachten können. Sie nickt freundlich und kurz darauf bringt uns die 13-jährige Tochter einen Bund Bananen. Auch andere Einheimische halten kurz für einen Schwatz, begrüssen uns mit Handschlag und scheinen keine Berührungs-Ängste zu haben. Am nächsten Morgen um 6.30 Uhr klopft es an unsere Tür und der Mann der Bäuerin möchte uns sein Land zeigen. So führt uns Sebero stolz durch seine Fruchtplantage. Hier wachsen "Chioten", dessen kleine Körner für die Herstellung von roter Farbe geeignet sind, verschiedene Kaffeesorten der Sorten Robusta und Exotica und eine Orangenart mit dem Namen "Siete Sabores", 7 Aromen. Von dieser Frucht, der Grösse eines Fussballs, drückt er uns sogleich mehrere in die Hand. Die übrigen Früche wie Orangen, Zitronen und Grapefruts sind noch nicht reif. Zum Abschied schenken wir ihm ein paar Souvenirs aus der Schweiz und versprechen ihm, sobald seine Plantage in voller Reiffe steht, nochmals zurückzukommen. Die nächsten zwei Tage fahren wir auf übelster Schotterpiste entlang des Rio Beni. In Rurrenabaque angekommen, lassen wir unseren Suri beim Schweizer "Jorge" auf dem Mirador oberhalb der Stadt, stehen. Mann und Maschine brauchen erstmals etwas Erholung. Dieser Jorge ist ein Energiebündel. Obwohl schon 69-jährig, ist er stets am bauen. In seiner Vergangenheit hat er in Afrika Überbauungen realisiert, in Kolumbien Brücken gebaut, das Hotel Oberland in La Paz errichtet, hier in Rurre den Rio Beni umgeleitet und nun ist er am aufstellen einer Hotel- und Camping Anlage. Auf meine Frage, wann er sich eigentlich zur Ruhe setzen will meint er kühl: "Das ist mein Ruhestand" und schon eilt er von Dannen, da der Betonmischer auf dem Hügel eingeschaltet wurde. Hier lassen wir es uns für einige Zeit gut gehen. Man hat einen bezaubernden Blick über die Dschungelstadt "Rurre", zur Abkühlung steht ein Schwimmbad bereit und jeden Morgen bringt uns Jorge frische Brötchen vom französischen Bäcker.
Fluss der Krokodile
Heute soll es losgehen! Wir haben eine 3-tägige Tour in die bolivianische Pampa gebucht. Mit einem Jeep fahren wir nach Santa Rosa bis zum Rio "Jucumo". Entlang des Ufer-Kais liegen die schlanken Boote in mehreren Reihen. Die Luft ist feucht und riecht nach Moder und faulendem Holz. Ein Schimmelgarten. Nur zu Zweit, somit kommen wir in den Genuss einer Privattour, schippern wir die den träge dahinfliessenden Jucumo hinauf. Beim Geräusch des nahenden Motors drehen die Schlangenhalsvögel empört die Köpfe als wollten sie uns ein "Psst" mitteilen. Die Bugwelle gluckst durch die aufragenden Wurzeln der überhängenden Bäume. Jede Biegung eröffnet ein neues Bild, eine unbekannte Pracht. Einmal liegen etliche Flussschildkröten gedrängt auf einem Baumstam übereinander und später grasen ganze Familien von Capybaras mit ihrem Nachwuchs im seichten Uferschlamm. Dieses grösste, lebende Nagetier der Welt, das eng mit unserem Meerschweinchen verwandt ist, kann bis zu 80 kg wiegen. Das Fell ist lang und rau, stellenweise aber so dünn, dass die Haut durchscheint. Seine Färbung variiert von rotbraun bis grau an der Oberseite. In den Baumwipfeln hangel sich Kapuziner- und Tschitschillos Äffchen von Baum zu Baum. Der König der Tier ist hier unweigerlich der Kaiman und der Alligator. Wie uns Roni, der persönliche Führer für die nächsten Tage mitteilt, sind die schwarzen Kaimane grösser als die Alligatoren. Zudem haben sie midestens 8 Nasenhöcker und die Alligatoren nur deren 6. Genauer nachsehen und dies überrprüfen möchten wir aber dennoch nicht. Keine 20 Meter, ohne dass wir nicht eine dieser Panzerechsen sehen. Unsere Hütte, wo wir für die nächsten Tage einquartiert sind, befindet sich auf Stelzen am Flussufer, da in zwei Monaten während der Regenzeit die ganze Region überflutet sein wird. Am nächsten Tag begeben wir uns auf Anakonda Jagd. Wir marschieren über eine mörderisch-heisse Pampa, ohne schattenspendende Bäume. Gewiss ist die Themperatur über 40°C. Nach mehreren Stunden Fussmarsch ist das Sumpfgebiet der Schlangen erreicht. Meistens lauern die Anakondas unter Wasser. An Land trifft man sie normalerweise nur beim Sonnenbaden. Immer wieder wird von zwölf, fünfzehn Meter langen Schlangen berichtet. Doch auch die kleinen können einem erwachsenen Menschen gefährlich werden. Die Anakonda gilt als recht angriffslustig. Dank ihrer enormen Kraft und Grösse braucht die Schlange, abgesehen von den agressiveren Piranhyas, kaum einen Gegner zu fürchten. Mit Gummistiefeln ausgestattet stochern wir mit einem Stock in der trüben Brühe und endlich, beim letzten Wasserloch, das mit Seerosen überzogen ist, scheucht Roni zwei Anakondas auf. Mit 3 Metern Länge sind sie eher klein aber trotzdem haben diese gelb / schwarz gezeichneten Würgeschlangen schon ein beachtliches Gewicht. Am Abend statten wir noch der Sunset Bar einen Besuch ab, bevor es zurück zu unser Lodge geht. Gespenstisch leuchten die roten Augen der Alligatoren im dunklen Flussufer, wenn wir mit unseren Taschenlampen die Umgebung erhellen. Noch vor Sonnenaufgang fahren wir mit dem Boot raus zur Vogelbeobachtung. Kaum zeigt sich die Sonne überfliegen Papageien mit einem gewaltigen Lärm den Fluss, Vögel zwitschern, Insekten summen und in der Ferne hört man die Brüllaffen und den Tukan, dessen Ruf den Wald vor Gefahren warnt. Schmetterlinge mit den unlaublichsten Formen, Zeichnungen und Ausmassen sitzen trinkend auf kleinen Sandbänken oder umtanzen einen Busch. Auch die Morpho-Falter, deren einzigartige Blaufärbung sie häufig zu einem getrockneten Souvenir in Glas gegossen, macht, sitzen auf orangefarbenen Blüten.
Am Nachmittag fahren wir zu den rosa Flussdelphinen, die sich weiter oben im breiten Teil des Flusses aufhalten. Sie sind kleiner als ihre Meeresverwandten, ca. 2 bis 3 Meter lang und haben eine lange, spitze Schnauze. Ihre Farbe verändert sich mit dem Alter. Sind sie als Jungtiere noch silbergrau, werden die Amazonasdelphine wie sie auch genannt werden, im Alter zunehmend rosa. Obwohl uns die Angst im Nacken sitzt und unsere Guide sich ebenfalls für ein Bad mit den Delphinen bereit macht, wagen wir uns in den Fluss. Argwöhnisch werden wir von den am Ufer liegenden Krokodilen beäugt, wie wir mit den Delphinen schwimmen.
Bevor wir zurück nach Rurre fahren, versuchen wir uns beim Piranhas angeln. Entweder scheinen die bolivianischen Piranhas klüger oder wir ungeschickter zu sein. Auf jeden Fall haben wir hier unsere erdenkliche Mühe, diese kleinen, mit messerscharfen Zähnen bestückten Raubfische zu fangen. Auf brasilianischem Gebiet hatten wir in Kürze ein Fisch-Nachtessen geangelt. Nun gehts die gleiche Strecke zurück nach Hause. Nach Hause? Wo ist eigentlich das Zuhause. Es ist dort, wo man sich wohlfühlt und das ist im Moment bei unserem Suri, in Rurre.
Strasse der Blockaden
Morgen geht es weiter entlang der Missions-Route über San Borja, Trinidad, San Ramon zur brasilianischen Grenze. Es ist nicht die ewige Rüttelpiste, der Staub oder die drückende Hitze, die uns kopfzerbrechen macht, es ist die Ungewissheit über den Strassenzustand. In den letzten Tagen haben die Indios vermehrt die Strassen blockiert. Sind die Bolivianer mit der Politik ihres Präsidenten nicht einverstanden, wird einfach eine Strasse gesperrt. Das war schon früher so und ist jetzt wieder der Fall. Diesmal ist der Grund: Evo Morales will eine neue Strasse quer durch das Indianerreservat bauen. Dies ist Naturschutzgebiet und die Indios wollen das verhindern. So marschieren sie mit Transparenten und einem Vorderungskatalog gegen La Paz. Regierungstreue wollen diesen Marsch der Ureinwohner verhindern und blockieren an mehreren Stellen die Strasse. Polizei und Militär ist schon aufgeboten worden, um ein Zusammentreffen dieser beiden Gruppen zu verhindern. Die Tankstellen in dieser Gegend haben schon lange kein Benzin mehr. Die ganzen Blockaden und politischen Kundgebungen befinden sich ausgerechnet in jenem Gebiet, wo wir durchfahren müssen.
Ob wir durchkommen oder irgendwo bei einer Barrikade fest sitzen, dann im nächsten Bericht.
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