12 Namibia zum Dritten

Reisebericht 33 / Oshikango (Grenze zu Angola) - Mata-Mata / 18.12.2017 - 13.01.2018

Kilometerstand von der Schweiz über China, Indien und Afrika: 99'400 km (Total 228'000 km incl. Panamericana)

Reiseroute:
Oshikango, Etosha National Park, Otjiwarango, Outio, Windhoek, Swakopmund, Namib Naukluft Park, Windhoek, Rehoboth, Mariental, Mata-Mata (Grenze zum Kgalagadi National Park)


Überfall


7 Jahre "on the road" und noch nie sind wir überfallen oder bedroht worden. Doch nun hat es uns auch erwischt.

Doch der Reihe nach. Nach vier ereignisreichen Wochen verlassen wir Angola und fahren erneut, dieses Mal sehr wahrscheinlich zum Letzten Mal, nach Namibia.
Da wir in Angola unsere Gas Flaschen nicht auffüllen konnten, begeben wir uns unverzüglich nach Oshakati zu einem kleinen Gasgeschäft. Dieses kennen wir noch vom letzten Jahr, konnten wir hier unsere schweizerischen Gas Flaschen mit einem indischen Adapter auffüllen. Auf Reisen muss man erfinderisch sein!

Trotz Regen fahren wir am nächsten Tag erneut durch den Etosha National Park. Im Gegensatz zu früher verirren sich nun in der Regenzeit fast keine Tiere an den Wasserlöchern. Wieso auch, es gibt überall Wasser in Hülle und Fülle. Trotzdem erspähen wir noch ein Nashorn, wie es gemütlich vor uns die Strasse überquert. Vögel, Giraffen, Gnus und alle Arten von Antilopen gibt es aber immer und überall zu sehen.

Ohne im Park zu übernachten tuckern wir weiter nach Outjo, zum Camping Ijabe Lodge, auf dem wir vor einem Jahr auch schon waren. Die deutschen Besitzer sind zu Hause in der Heimat und die Lodge wird von einer namibischen Managerin geleitet.
Die erste Nacht verbringen wir gemütlich auf diesem kleinen Camp, schwimmen im Pool, lauschen den Vögeln und schauen dem halb zamen Dig-Dig zu, wie es genüsslich die Grashalme abzupft.
Eben, weil es so schön ist, beschliessen wir eine weitere Nacht hier zu verbringen. Im Nachhinein könnte man immer sagen, ja wenn wir doch gefahren wären, doch so was kann man immer sagen.

7 Jahre sind wir nun "on the road" und nie sind wir überfallen oder bedroht worden. Bis jetzt hatten wir immer Glück, sehr viel Glück, doch diese Nacht am 23. Dezember, hat uns der Schutzengel kurz aus den Augen verloren.
Um 1 Uhr früh sind wir beide infolge eines heftigen Knalls aus dem Tiefschlaf aufgeschreckt. Ruth dachte zuerst an ein Erdbeben und ich an einen morschen Ast, der auf den Suri gefallen sei. Ein paar Sekunden später knallt es erneut. Ich springe unverzüglich aus dem Bett, schaue aus dem Fenster in die dunkle Nacht und sehe im Schein des Mondes, einen Schwarzen vor dem Suri stehen. Reflexartig, nackt wie ich bin, stürme ich nach draussen und schreie den Schwarzen an: "What do you do here? Fuck you off!"

Noch während ich schreie flitzt die dunkle Gestalt durch die Büsche und flieht in die Nacht hinein. In der Zwischenzeit kommt auch Ruth aus dem Suri und schreit dem Mann hinterher. Zitternd, noch unter Schock, kommt er womöglich zurück, ist er alleine oder ist es eine ganze Bande, stehen wir verloren vor unserem Heim und erst jetzt sehen wir den Schaden. Die Beifahrerscheibe existiert nicht mehr. Ein riesen Stein, bestimmt 5 kg, liegt im Innern des Fahrzeugs. Überall sind Glassplitter. Ich renne zum Wohnhaus rüber, schreie aus voller Kehle und pfeife was das Zeug hält doch alles ist dunkel. Niemand rührt sich. Plötzlich erspähe ich vor einem Bungalow eine schwarze Gestalt. Es ist der Nachtwächter. Er reibt sich den Schlaf aus den Augen und ist ganz und gar nicht erfreut, dass ich ihn geweckt habe. Missmutig folgt er mir zum Camping, wo unser beschädigtes Fahrzeug steht. Und dies soll ein Nachtwächter sein? Steckt er womöglich mit dem Einbrecher unter einem Hut?
Endlich kommt die Managerin mit einer Taschenlampe. Ruth und ich sind immer noch "neben den Schuhen", zittern und können es nicht fassen, was uns da eben passiert ist. Leider ist es kein Traum, es ist böse, reale Wirklichkeit.
Alle Wertsachen, wie Fotoapparat, Bargeld und Navigationsgeräte sind in der Wohnkabine verstaut. In der Führerkabine liegt nur eine Sonnenbrille auf der Ablegefläche und die ist immer noch auf ihrem Platz.

Wir sind froh, dass uns nichts passiert ist. Auf den ersten Blick auch nichts gestohlen.
In der Zwischenzeit ist es 1:30 in der Nacht. Die Managerin hat die private Securitas angerufen und die kommt nun mit aufheulendem Motor durch die Einfahrt geschossen. Drei Schwarze steigen aus und sprechen mit den Anwesenden. Erkundigen sich nach etwelche Merkmalen des Diebes und wohin er gerannt ist. Danach verschwinden sie wieder in der Dunkelheit. Auch die Polizei wird verständigt, doch für die ist der Vorfall zu banal. Da lohnt es sich nicht auszurücken und die gute Stube zu verlassen. Wir sind in Afrika. Hier herrscht eine afrikanische Mentalität, die für uns nur schwer nachvollziehbar ist.

Als nächstes säubern wir die Sitze von den Scherben und fahren auf den beleuchteten Parkplatz der Lodge. Die Managerin überlässt uns für die restliche Nacht eines ihrer Bungalows. Provisorisch decken wir die "glaslose" Tür mit einem Plastik ab und begeben uns in das bereit gestellte Zimmer. Immer wieder gehe ich vor die Tür und beleuchte mit der Taschenlampe das Fahrzeug ab. Ich kann nicht schlafen. Wahrscheinlich verständlich in dieser Situation.
Um 3 Uhr gehe ich erneut in den Suri, währen Ruth im Bungalow versucht, etwas Schlaf zu finden.
Es ist eine schwierige Situation. Es ist was anderes, wenn man von andern hört, dass sie überfallen wurden. Trifft es einen selbst, bleibt eine grosse Leere und Unsicherheit.

Am nächsten Morgen fahren wir in die Stadt, beäugen jeden Schwarzen misstrauisch und kaufen uns eine stabile Plastikfolie samt Klebeband. Damit wird das Seitenfenster ein wenig besser abgedeckt.
Nun beginnt der Anruf-Marathon. Sämtliche Reparatur Werkstätten in Namibia haben natürlich über die Feiertage geschlossen. Es wird uns berichtet, dass vor dem 15. Januar nichts geht. Das wären dann über 3 Wochen Wartezeit!

Im Moment haben wir, ich glaube verständlicherweise, genug von Menschen. War doch unser Campingplatz keine 5 Kilometer von der Stadt entfernt und irgendjemand von diesen Schwarzen wollte sich auf einfache Art und Weise ein Weihnachtsgeschenk ergattern.

Wir finden auf der Karte einen Campingplatz weit weg von der Zivilisation, rufen an und fahren kurz darauf los. Hier, in fast völliger Abgeschiedenheit verbringen wir die Weihnachtstage. Es gibt ein feines Weihnachtsmenü, Ruth dekoriert einen Kameldornbusch mit farbigen Kugeln und so kommt eine kleine Weihnachtsstimmung auf.
Die nächsten Tage schrecken wir immer wieder Nachts auf. Hören auf kleinste Geräusche und schauen aus dem Fenster, ob da jemand ist. Wir müssen erst mal wieder das Vertrauen in die Menschheit zurück gewinnen.
Am 27. Januar erhalten wir von Robert in Windhoek einen Anruf, er hätte eine Werkstatt gefunden, die genau unsere Scheibe hätte. So fahren wir in die Hauptstadt zur besagten Werkstatt und sind natürlich sehr froh, dass wir die jetzt schon ersetzten können. Die Mechaniker nehmen die Beifahrertüre auseinander, entfernen noch die letzten Splitter und setzen die neue Scheibe ein. Besser gesagt, wollen sie einsetzen, denn erst jetzt merken sie, dass die neue Scheibe ganz andere Masse hat. Nun passiert dies, was in dieser Situation in Afrika immer passiert - unschuldige Kindergesichter, ein kurzes Schulterzucken und der Ansatz eines hilflosen Lächelns.
Anschliessend versucht ein niedergeschlagener Manager irgendwo in Namibia eine für unser Auto geeignete Seitenscheibe aufzutreiben. Ohne Erfolg. In ganzen Land ist keine auf Lager. Es muss eine aus Südafrika bestellt werden, doch infolge der Feiertage ist diese erst in 10 Tagen hier in Windhoek. Na toll!

Wir beschliessen, diese Zeit an einem kühleren Ort zu überbrücken. Dafür bietet sich die Küstenregion rund um Swakopmund an.
Erneut treffen wir hier auf Conny und Tommy mit ihrem Mantoco. Schon vor 2 Jahren haben wir Neujahr zusammen mit ihnen in den Drakensbergen verbracht. Es gibt viel zu erzählen, fuhren wir doch beide in dieser Zeit quer durch den afrikanischen Kontinent. Später gesellen sich noch Win und Petra (siehe Begegnungen) zu uns auf den Stellplatz direkt an der Hafenmole.

Die Welt ist nicht perfekt, wie uns die Ereignisse der letzten Tage erneut gezeigt haben, aber innerhalb des irdischen Jammertals gibt es immer wieder Orte und Menschen die einem den Glauben an das Gute im Menschen zurückbringen und dieser Ort und diese Menschen zählen eindeutig dazu.

Sturmschaden in der Schweiz

Am 2. Januar verabschieden wir uns von den Vieren und fahren an der Küste entlang nordwärts mit dem Ziel Cape Cross, zur Seelöwenkolonie.
Kaum abgefahren erhalten wir ein Whatsapp: "Dringend, bitte sofort zurückrufen, der Sturm "Burglind" hat euer Haus beschädigt.
Sofort versuchen wir in die Schweiz zu telefonieren, aber die Verbindung hier in der Wüste ist zu schwach was uns veranlasst, zurück nach Swakopmund zu fahren.
Auf dem Weg zurück überkommen uns die schlimmsten Vorahnungen. Haben die Sturmböen eventuell die Buche entwurzelt, die direkt neben unserem Häuschen steht und diese ist auf unser Dach gefallen, dieses eingestürzt, einen Kurzschluss verursacht und alles ist abgebrannt. Diese und ähnliche Gedanken befallen uns auf dem Weg zurück in die Stadt.
Hier erfahren wir von unserer Nachbarin in der Schweiz, dass der extreme Sturm das halbe Dach mitsamt Lattenrost, Folie und Isolationsmaterial 400 Meter durch die Luft gewirbelt hat. Gelandet ist es ausgerechnet auf dem Scheunendach eines unseren anderen Nachbarn.

In nächster Zeit erfolgen viele Telefonate in die Schweiz. Handwerker und Versicherung müssen organisiert werden. In diesem Zusammenhang ein dickes Kompliment an die Mitarbeiter der Zimmerei Truttmann in Seelisberg. Haben sie doch unter Lebensgefahr mitten im Sturm versucht, das Dach mit einer Plane behelfsmässig abzudecken, damit der Regen nicht noch grösseren Schaden anrichtet. Nochmals vielen Dank an alle Handwerker, sowie an unseren Freund Roli für die Soforthilfe und an unsere Nachbarin Maria, die uns sofort benachrichtigte und das Nötige veranlasst hat.

Wir machen uns natürlich Gedanken, ob wir nicht besser heim fliegen und vor Ort alles organisieren sollten, doch alle Beteiligten versichern uns, dass alles menschenmögliche schon in die Wege geleitet wurde und wir sowieso nur bedingt in unserem Heim wohnen könnten.
In solchen Situationen lernt am einmal mehr die gute alte Schweiz mit ihren zuverlässigen, kompetenten "Machern" zu schätzen. Hier in Afrika oder an vielen andern Orten in der Welt würde sich erstmals niemand darum kümmern.

Eine Woche später ist dann tatsächlich die Scheibe aus Südafrika in Windhoek angekommen. Zurück nehmen wir nicht die Asphaltstrasse sondern fahren über den Namib Naukluft Park zu einem Granit Inselberg mit dem Namen "Mirabib".
Es ist (fast) ein Geheimtipp für Camper, die es romantisch mögen und sich an einem atemberaubenden Blick in die Kalahari erfreuen wollen.
Man fand heraus, dass Menschen schon vor etwa 8.500 Jahren hier bei Mirabib gelebt haben. Sicherlich war das Klima damals feuchter und deshalb auch vegetationsreicher als es heute der Fall ist.

Als nächstes steht noch der auf 1800 Meter gelegene Gamsberg Pass auf der Route. Oben angekommen offenbart sich uns eine atemberaubende Aussicht auf das Bergmassiv. Obwohl noch früh beschliessen wir, hier auf einer kleinen Seitenstrasse nahe der Passhöhe zu nächtigen. Kaum sind die Stühle in Position gebracht sehen wir schon die ersten Oryx- und Kudu Antilopen, Paviane und Bergzebras. Wahrlich ein herrlicher Platz, das wir jedem Reisenden nur empfehlen können.

Endlich, am 9. Januar, fast 3 Wochen nach dem Einbruch und der Zerstörung der Scheibe ist die Neue angekommen und wir können das Provisorium durch die richtige Scheibe ersetzen. Nun hält uns nichts mehr in Namibia. Wir wollen so schnell als möglich nach Südafrika und zwar nicht auf dem direkten Weg, sondern über den Kgalagadi Transfrontier National Park. Dieser Park im Grenzgebiet von Namibia, Botswana und Südafrika soll besonders tierreich sein.

Doch zuerst haben wir eine Verabredung mit einer Schweizer Familie.
Wie vereinbart treffen wir Petra, Peter und Alessandra auf dem Camping am Oanob Damm bei Rehoboth, südlich von Windhoek. Es ist eine sehr spezielle Begegnung, trafen wir uns doch das erste Mal in Utha, in der USA (siehe unter Begegnungen). Damals waren die "Bushcruisers" noch mit einem alten Ladcruiser unterwegs und nun haben sie einen stattlichen, selbst ausgebauten IVECO, mit allerlei Raffinessen. In all den Jahren ist der Kontakt zu ihnen nie abgebrochen.
Zusammen verbringen wir einen interessanten Tag. Baden im See, kochen gemeinsam und trinken bis spät in die Nacht südafrikanischen Wein.
Ihre Tochter Alessandra wird die nächsten 4 Monate eine internationale Schule in Otjiwarango besuchen und anschliessend werden sie das südliche Afrika bereisen.
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns und fahren Richtung südafrikanische Grenze zum Kgalagadi / Transfrontier Park.

Auf dem Weg zum Nationalpark erstrecken sich zu beiden Seiten der Sandpiste bis zum Horizont eine von Akazien und Dornbüschen durchzogene Buschlandschaft. Kilometerweit nichts als olivgrüne Bäume, die aussehen wie kleine Schirme, die jemand gegen die sengende Sonne aufgespannt hat.

Es ist 16:30 Uhr, als wir den kleinen Aussenposten der namibische Grenze erreichen. Die Zöllnerin schliesst gerade das Tor. "Ihr seit zu spät", keift sie mich in einem mürrischen Ton an, "kommt morgen wieder wenn ihr nach Südafrika wollt."
So bleibt uns nichts anderes übrig, als auf dem kleinen Campingplatz direkt vor den Toren des Parks zu übernachten.

Doch wie es sich später erweist, hat alles seine guten Seiten.

Wären wir einen Tag früher im Park eingereist, hätten wir eventuell das Löwenrudel, die Geparden mit ihren Jungen und als Höhepunkt einen vereinten Löwenangriff auf eine Giraffe verpasst.

Somit hat alles im Leben seinen Grund.

Wir wünschen euch allen eine schöne Winterzeit und geniesst die Schneepracht in den Bergen.

Die Reisevagabunden

Ruth und Walter

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