Reisebericht 46 / Pomerode (Brasilien) - Montevideo (Uruguay) / 6. August 2012 - 30. August 2012 / 113'900 km - 116'800 km
Reiseroute: Pomerode (Brasilien), Blumenau, Rio do Sul, Urubici, Lauro Müller, Canela, Gramado, Novo Hamburgo, Porto Alegre, Rosario do Sul, Santana do Livramento, (Grenze nach Uruguay) Rivera, Tranqueras, Termas del Arapey, Salto, Termas del Dayman, Termas San Nicanor, Termas Guaviyu, Paysandu, Termas de Almiron, Guichon, Piriapolis, Maldonado, N.P. Santa Teresa, Montevideo
Das brasilianische Bergland
Nun waren wir lange genug an den endlosen Stränden, bewunderten die wohlgeformten Badenixen, sowie den grossen Rest der brasilianischen Masse, so wie Gott sie schuf und "Mc. Donald" sie formte und rollten wieder durch das Landesinnern dieses riesigen Landes.
Das Bergland im kleinen Staat "Santa Catarina" ist die kälteste Region Brasiliens. Sie ist die einzige Gegend des Landes, in der es jährlich im Winter schneit und sei es nur für ein paar Tage.
Obwohl wir nun Winter haben, erfreuen wir uns warmer und sonnigen Tagen. An unseren Fenstern zieht eine Landschaft vorüber voll mit stolzen Aurakarienfichten und grünen Weideflächen. Ländliche Dörfer, allesammt auf über 1000 m, vervollständigen das schöne Schauspiel, das einem die Natur des hiesigen Berglandes bietet.
In Urubici, einem der kältesten Orte Brasiliens, machen wir Wanderungen zum "Moro do Avencal" und besuchen den beeindruckenden Wasserfall "Cascata do Avencal". Einzig beim angeln denke ich wehmütig an die fischreichen Gewässer Patagoniens. Hierhin scheint sich kein Schwanz zu verirren!
Bei "Bom Jardim da Serra" verlassen wir die Hochebenen und die Strasse "Rio do Rastro" schlängelt sich wieder in Serpentinen durch die Berge hinunter ins Flachland.
Wir befinden uns nun zum 2. Mal auf unserer Brasilien Tour kurz vor Gramado und besuchen in der Nachbarstadt "Canela" das Dampfmaschinenmuseum. Alles, was vor langer Zeit einmal mit Dampf angetrieben wurde, wird hier in verkleinertem Massstab anschaulich gezeigt. Zu guter Letzt fahren wir noch mit einer Miniatur-Dampflock quer durch das Gelände und kommen uns vor wie in "Swiss Miniature", in Mendrisio, im Tessin.
Love Time Hotel
Eine weitere Eigenart in Brasilien sind die weit verbreiteten und überaus beliebten Motels. Eigentlich nichts besonderes, würde man meinen, wenn da nicht die getönten Fensterscheiben oder die speziellen Namen wären, wie "Emocôes" (Emotionen), "Ela & Ele" (Sie und Er), oder "Rancho do Amor" (Liebesnest).
Es gibt sie in Bezirken, die erst nach Mitternacht zum Leben erwachen oder etwas ausserhalb gelegen, diskret an der Überlandstrasse.
Da der Nachwuchs traditionell so lange bei der eigenen Familie lebt, bis er eine neue gründet und das kann lange gehen, werden diese Motels gerne benutzt für ein ungestörtes Stelldichein mit der neuen Flamme oder einfach nur für ein kurzes "Fremdgehen".
Brasilianer, natürlich auch die Brasilianerinnen, fischen gerne in Nachbars Teich.
In der Regel wollen die Besucher unerkannt sein und darum wird Wert gelegt auf grösste Diskretion. Das System dieser Motels erinnert ein wenig an die Mc' Donalds beim "drive through". Mit schwarz verdunkelten Scheiben fährt man durch die hoteleigene Tiefgarage und stoppt erst bei der Gegensprechanlage. Hier gibt man seine Vorstellungen bezüglich Zimmer und Zeit durch, zückt die Kreditkarte und fährt weiter in die Nische des Parkplatzes, die direkt seinem Zimmer zugeordnet ist. Von dort geht es über ein kleines Vorzimmer in den Raum des Vergnügens.
Die gekachelten Zimmer sind meist mit einer Plastik überzogenen Matratze ausgestattet, mit einem Telefon, wo man Speisen und Getränke ins Vorzimmer bestellen kann, Wand- und Deckenspiegel und einschlägigen TV-Programmen.
Den Eingang ins Vorzimmer nutzt das Personal, wenn es mit Brötchen, warmen Speisen, oder Caipirinhas, die knurrenden Mägen und trockenen Münder beruhigen soll. Die Tabletts werden im Vorzimmer abgestellt und die Tür zum Hauptzimmer bleibt verschlossen. Jede Art von direkter Kommunikation ist somit überflüssig und die absolute Diskretion und Verschwiegenheit bleibt vollumfänglich bewahrt.
Abgerechnet wird stundenweise. Für umgerechnet 7 sFr. pro Stunde ist man dabei. Wer sein Liebesspiel etwas gediegener in ein Whirlpool verlagern möchte, bezahlt für 4 Stunden 30 sFr. und wer noch eine zusätzliche Sauna mit Tanzfläche ordert, der legt dann in der "Master Suite" schon mal 60 sFr. für 4 Stunden auf den Tisch.
Eine spezielle Weinflasche
Kurz vor Uruguay, in Rosario da Sul, sehen wir ein Schild mit der Aufschrift "Winery". Kurz entschlossen biegen wir von der Landstrasse ab in diese kleine "Bodega". Überaus herzlich werden wir von dem jungen Besitzerpaar, Gabriela und Antonio, willkommen geheissen. Da dieses Weingut abseits der normalen Touristen-Route ist, hatten sie noch nie spontanen, europäischen Besuch.
Eben sind sie dabei, den Rotwein in Flaschen abzufüllen und ihn mit einem Korken zu verschliessen. Wir staunen nicht schlecht, als Gabriela, die eine 3-jährige Ausbildung als Grafikerin in Californien hinter sich hat, das eben eingetroffene Packet öffnet und uns die neue, selbst entworfene Etikette zeigt. Darauf ist ein rotes VW-Büssli abgebildet mit dem Nummernschild 1972, wie es über eine brasilianische Landstrasse fährt.
"Das hat seinen Grund", klärt uns Antonio auf, "denn vor 40 Jahren führ mein Vater, genau wie ihr, quer durch Südamerika. Hier, auf diesem Fleck, ist der dann mit seiner Frau hängengeblieben und hat eine kleine Estanzia gegründet. Vor 8 Jahren pflantzten wir die ersten französischen Weinreben und nun gedenken wir dieser Zeit mit einer eigens dafür kreierten Etikette."
Vor unseren Augen klebt er die erste "VW-Büssli" Etikette auf die Flasche "Cabernet Sauvignon" und überreicht sie uns mit den Worten:" Dass gerade ihr zum jetztigen Zeitpunkt hier vorfährt, am Tag der ersten Etikettierung, das muss ein gutes Ohmen sein. Die erste Flasche gehört natürlich euch."
Gerührt und dankbar nehmen wir die Flasche entgegen. Das muss gefeiert werden! Mit was wohl? Mit einem "Cabernet Sauvignon".
Zum Glück gibt es noch mehr von diesen Flaschen!!!!!! Prooooost
Zurück in Uruguay
Der brasilianisch / uruguayische Grenzübertritt entpuppt sich als überaus chaotisch. Da die beiden Grenzstädte "Santana do Livramento" und "Rivera" auf einem Zollfreigebiet liegen, existiert keine eigentliche Grenze. So suchen wir die längste Zeit das Immigrations Büro und danach, am andern Ende der Stadt gelegen, das Zolllbüro. Natürlich haben wir Wochenende und der zuständige Beamte ist nicht auffindbar. Doch irgendwann ist auch seine Mittagszeit zu Ende und wir können die 10-seitige, brasilianische Zolldeklaration für unser Fahrzeug, ihm zurückerstatten.
Auf der urugayischen Seite ist es dann erheblich einfacher und ein einziges Blatt Papier für unseren Suri reicht komplett.
Auf ins Land der Maté-Thé trinkenden Gauchos!
Im Gegensatz zum dichtbevökerten Brasilien fällt uns sofort die einsame, unendliche Weite der kärglich bewachsenen Landstriche auf. Das nördliche Uruguay erinnert uns ein wenig an die einsame, argentinische Pampa. Fast ebenso viele Nandus, die südamerikanische Form des Strausses, grasen friedlich neben den dicht gedrängten Schafen. Hasen hüpfen über die Strasse und im trüben Scheinwerferlicht der untergehenden Sonne, bringt sich noch schnell ein Gürteltier vor dem anfahrenden Wohni in Sicherheit.
Die Ruhe und die Weite der Natur hat uns wieder. Irgendwie hatten wir gerade diese Eigenschaften schmerzlich in Brasilien vermisst.
Dafür konnte Brasilien mit anderen Trümpfen stechen. Endlose Sandstrände, liebe Menschen und ein pulsierendes Leben.
In den heissen Pools die Seele baumeln lassen
Nach einer ruhigen Nacht mitten in der urugayischen Pampa, fahren wir nun auf das riesige Gebiet der "Termas del Arapey". 5 heisse Pools, mit einer durchschnittlichen Themperatur von 37°C, etlichen Bungalows, Hotels, Einkaufsmöglichkeiten und Souvenirshops, reihen sich in diesem grosszügigen Areal aneinander. Zum Glück sind wir ausserhalb der Saison. Allein der Camping nimmt ca. 800 Personen auf und wenn die alle in den Pools sind, sieht man vor lauter Köpfen das Wasser nicht mehr. Aber wie gesagt, wir sind ausserhalb der Saison und wir haben den Platz fast nur für uns allein.
Dunkle Wolken ziehen auf und es riecht nach Regen. So backen wir Apfelkuchen und Vollkornbrote im Wohni, Ruth gönnt sich eine Massage und wenn der Regen mal aufhört, wärmen wir uns im heissen Wasser der Thermalquellen.
3 Tage verbringen wir auf dem angenehmen Platz direkt neben dem "Rio Arapey", bevor wir uns zur nächsten Quelle aufmachen.
Der Nordwesten Uruguay's ist bekannt für seine heissen Thermalquellen. So überrascht es nicht, dass wir ein paar Stunden später schon wieder bei den nächsten Thermen, den "Termas del Dayman", anhalten. Kaum gestoppt, fährt ein Kleinbus mit dänischen Kennzeichen zu uns und eine 6-köpfige Familie steigt einer nach dem andern aus dem Auto.
"Hey, euch kennen wir", meint Hele, die Mutter der 4 Kinder freudestrahlend, "ihr seit doch der "Reisevirus". Wir lesen immer eure Homepage und haben schon etliche gute Infors daraus gewonnen."
Das freut uns natürlich und wir beschliessen, die Nacht gemeinsam auf dem nahen Parkplatz zu verbringen.
Hele, die Ärztin und ihr Mann, der Betriebsökonom Brian, sind erst seit einem Monat unterwegs. Sie haben ihr Buss mit Anhänger nach Buenos Aires verschifft und möchten mit ihren 4 Kindern, die so zwischen 10 und 18 Jahren sind, noch bis nach Alaska rauf. Da in Dänemark keine Schulpflicht herrscht, sondern nur eine Unterrichtspflicht, schulen sie ihre Kinder selber. Das halbe Auto ist mit Spiel- und Schulmaterial vollgepfercht. Geschlafen wir auf dem Autodach! 2 Dachzelte befinden sich über der Führerkabine, die jeden Abend aufgestellt werden müssen, ob es regnet oder schneit. Je 3 Personen schlafen im vorderen und 3 im hinteren Zelt auf kleinstem Raum.
Hele spricht perfekt Deutsch und alle Familienangehörigen sprechen, wie es sich für die meisten Nordländer gehört, ein super Englisch. Bei dieser sympatischen und abenteuerlustigen Familie geht es zu wie in einem Bienenstock. 6 Mäuler müssen gestopft werden, für Unterhaltung gesorgt werden, der Unterricht sichergestellt werden, Bobochen gepflegt werden, (der jüngste ist hingefallen und hat sich die Hand aufgeschürft) und immer wieder das Nachtlager auf- und abgebaut werden.
www.kain.dk
Nach einer kurzen Nacht, wir schnattern bis früh am Morgen, verabschieden wir uns von der dänischen Abenteuer-Familie mit ihrer fröhlichen, lebensbejahenden Art und fahren südwärts.
Weit kommen wir nicht! Ein Landcruiser mit Neuseeländischen Kennzeichen gibt wie wild Lichthupe und wir fahren an den Strassenrand. Andi, ein Deutscher und Margrit, eine Österreicherin steigen aus dem kleinen Offroader. Sie haben einen guten Tipp von einer Therme, die etwas ausserhalb bei einer Hazienda liegt. So beschliessen wir, die Nacht zusammen auf eben dieser Farm, bei den "Termas San Nicolar", zu verbringen.
Dieser Platz hat etwas wunderbar Romantisches. Weite Felder, grüne Wiesen, kleine Eukalyptus- und Bambuswäldchen, entfernt ein gurgelnder Bach und Unmengen von Vögeln, die mit ihrem gezwitscher und gepiepse unsere Ohren massieren.
In der Mitte dieser Oase der Ruhe liegen eingebettet zwei herrliche Pool's, mit Themperaturen von 38°C. Jeder Stellplatz besitzt Strom- und Wasseranschluss und das Feuerholz, für die eigenen Grillplätze, liegt fein säuberlich neben der Feuerstelle.
Auf unserer Campingplatzbewertung unter Tipps, Übernachtungsplätzen, bekommt diese Anlage eine der wenigen 5 Sterne auf der gesammten Reise.
3 Tage später ist jedoch wieder so ein schmuddeliger Regentag, der nur ein Ziel zu haben scheint, dem Leben alles Erfreuliche zu nehmen. Anlass genug, um weiterzufahren.
Bei Blitz und Donner erreichen wir die "Termas de Guaviyu". Damit unsere Körper nicht durch einen Blitzschlag geröstet werden, lassen wir die schönen Pool's links liegen und statten der überdachten Badeanstalt einen Besuch ab. Dicht gedrängt sitzen wir im heissen Wasser. So dauert es nur kurze Zeit, bis wir durch den Dampfschleier von unserem Nachbar angesprochen werden. Die üblichen Fragen nach dem "wohin" und "woher" und als wir dann sagen, wir seien schon über 3 Jahre auf Achse meint er nur: " Habt ihr im Lotto gewonnen oder eine Bank ausgeraubt?"
Ich halte dann den Zeigefinger vor den Mund und antworte in verschwiegenem Ton: "Die zweite Variante ist die Richtige, aber bitte nicht weitersagen".
Dem Gelächter seiner Nachbarn zu entnehmen, machte unsere Reisefinanzierung schnell die Runde unter den schwitzenden Badegästen.
Die 4. und letzte Therme, die "Termas de Almiron", liegt östlich von Paysandu und ist die Kleinste von allen. Nach 48 Stunden "Donnerwetter" klart der Himmel langsam auf und wir suchen ein trockenes Plätzchen auf der überfluteten Wiese, was gar nicht so einfach ist. Die Weiterfahrt zum grössten See des Landes, dem "Rincon del Bonete", müssen wir auf übermorgen vertagen, da die Zufahrtsstrassen alle unter Wasser stehen und dadurch unpassierbar sind.
Frühmorgens blinzeln wir aus dem Schlafzimmerfenster und sind heilfroh, dass wir einen blauen Himmel erkennen können. Also nichts wie los und das Schönwetterfenster ausnützen. In "Paso de los Tores" bunkern wir zum ersten Mal Diesel in Uruguay und staunen nicht schlecht über den Preis. Mit 1,60 sFr. ist es mit Abstand der teuerste Dieselpreis auf unserer gesammten Reise.
Zwischen Montevideo und Maldonado, im Mündungsbereich des Rio de la Plata, liegt das mehrere Hektar grosse Campo "Paraiso Suizo" von Silvia und Heiz.
Vor 17 Jahren haben sie hier ein riesiges Stück Land gekauft und immer wieder vereinzelte Parzellen vorwiegend an Schweizer verkauft. So ist im Laufe der Zeit eine kleine Schweizer Kolonie mitten in Uruguay entstanden, mit 2 Restaurants und mehreren Bungalowanlagen.
Kurz bevor wir in die Anlage abbiegen, gibt uns ein entgegenkommender Landcruiser wie wild Lichthupe, wendet sein Fahrzeug und hält hinter uns an. Wir steigen aus und bevor wir den Mund aufmachen meint unsere neue Bekanntschaft: "Na schau mal einer an. Das sind ja die Odermatt's. Wir lesen immer eure Reiseberichte und sind genauesten über eure Reise informiert."
Jetzt sind wir es die staunen!
Es handelt sich um Marjorie und Jörg, die schon seit langem mit ihrem Toyota mit aufklappbarem Hubdach Südamerika bereisen.
So stellen wir uns zusammen vor das Restaurant "El Suenio" von Silvia und Heinz und machen es uns gemütlich. Im Laufe der Zeit trudeln immer mehr Schweizer ein, die hier ein Eigenheim und somit auch ein neues Zuhause aufgebaut haben.
Die Tage vergehen wie im Flug und somit rückt auch unser Abfahrtstermin langsam näher. Wir können es kaum fassen. 3 1/2 Jahre sind wir nun auf grosser Reise und in in 2 Tagen sollen wir den südamerikanischen Kontinent definitiv verlassen. Natürlich freuen wir uns auf zu Hause, aber wir schauen schon etwas wehmütig auf die vergangenen Abenteuer, die herrlichen Landschaften und die netten Menschen zurück, die für immer ihre Spuren in unseren Herzen hinterlassen werden.
Wie wir die 3 wöchige Reise auf dem Grimaldi-Frachter von Montevideo über Dakar nach Hamburg überstanden haben, schreibe ich euch, sobald ich mich von der Seekrankheit erholt habe, im nächsten und vermutlich letzten Bericht.
Bis dahin alles Gute
Ruth und Walter