Reisebericht 26 / Zipaquria (Nähe Bogota) - Ipiales (Grenze nach Equador) / 22. August 2010 - 5. September 2010 / - km 54'400 - km 55'800
Reiseroute: Zipaquira, La Dorada, El Penol, Medellin, Caldas, La Pintada, Pereira, Marsellas, Santa Rosa, Salento, Valle de Cocora, Armenia, Popayan, Pasto, Laguna del Cocha, Ipiales.
Im Autoreifen durch die Stromschnellen des Rio Claro
Von 2700 Metern geht’s nun wieder abwärts ins Tal des Rio Magdalena auf nur 300 Meter. Viele LKWs benutzen ebenfalls diese Hauptverkehrsachse. Das überholen ist oft schwierig, da die Strasse sehr kurvig ist. Die kolumbianischen Truck Fahrer sind da etwas optimistischer und überholen oft an vollkommen unübersichtlichen Stellen.
Wer ist hier wohl gefährlicher, die Guerilleros oder die LKW-Fahrer?
Hier im Tiefland übernachten wir bei schwül-heissen Temperaturen im Naturreservat des Rio Claro. Eine willkommene Abkühlung bringt der kristall- klare Fluss, der seinem Namen alle Ehre macht.
Am nächsten Tag mieten wir uns zwei LKW-Reifen und wandern am Weg entlang etwa 2 Stunden flussaufwärts.
Da die ganze Nacht ein Gewitter getobt hat, hat sich der am Vortag gemächlich dahin fliessende Fluss in einen starken Strom entwickelt, der sich durch die senkrechten Klippen des Canyons hinunterschlängelt.
Langsam wir uns doch ein wenig mulmig, ob wir diesen Abenteuer-Cocktail ohne kentern heil überstehen. werden?
Wir werdens nicht wissen, wenn wir es nicht ausprobieren, also rein in die Fluten.
Anfangs gleiten wir noch träge dahin und geniessen das Panorama einer unverfälschten Tropen-Natur. Doch schon bald kommen die ersten Stromschnellen. Ein Autoreifen ist schlecht zu steuern und nur mit Glück komme ich aus der ersten Walze heraus. Ruth hat es mit dem Reifen zwischen zwei Felsen eingeklemmt und kann sich fast nicht mehr aus dieser misslichen Lage befreien.
Irgendwie meistern wir auch die restlichen Stromschnellen, jedoch nicht ohne einen gehörigen Adrenalin-Ausstoss.
"Don Pablo"
Unser nächstes Ziel, Medellin, die Stadt des ewigen Frühlings. Die über 2 Millionen Einwohner zählende Stadt zeichnet sich durch ihr äusserst angenehmes und immer warmes Klima aus.
Hier hatte Anfangs der 80er Jahre Pablo Escobar das Medellin-Kartel gegründet und schon bald war er der grösste Kokain-Exporteur weltweit. Von hier aus versorgte er die USA mit Drogen. Durch gross angelegten und erstmals in der Kriminalgeschichte industrialisierten Drogenschmuggel wurde er zu einem der reichsten Menschen der Welt. Allgemein wird er als einer der mächtigsten, rücksichtslosesten und brutalsten Drogenhändler , die es je gab, angesehen.
Von all dem bekommen wir nichts mit, als wir durch die Innenstadt schlendern, mit ihren zahlreichen Kirchen, Museen und historischen Häuser. Eigentlich wollten wir im Zentrum auf einem bewachten Parkplatz übernachten, aber der Krach und die prekäre Sicherheitslage, wie uns die Einheimischen warnen, veranlasst uns, weiter nach Süden zu fahren.
Heisses Bad in Santa Rosa
In Marsella wollen wir den botanischen Garten besuchen. Es ist aber schon spät und so suchen wir uns zuerst einen Übernachtungsplatz. Der Besitzer des einzigen Hotels am Platz wollte einen horrenden Preis, nur dafür, dass wir in der Auffahrt stehen können. Nicht mit uns!
Es ist schon dämmrig, als wir ausserhalb des Dorfes eine Schotterstrasse zu einem Hügel nehmen. Oben angelangt, steht eine "Campesino" Familie mit zwei kleinen Mädchen vor einer baufälligen Sportarena und blickt uns schüchtern entgegen, als wir direkt vor ihrer Nase den Motor abstellen.
"Dürfen wir für eine Nacht das "Casa rodante", unser rollendes Haus, neben ihrem Häuschen parkieren?" fragen wir die indio Familie, während sich die Mädchen ängstlich am Rockzipfel der Mama festhalten.
"Si, claro", und als wir uns nach dem Preis erkunden, meinen die beiden einstimmig: "Nada, nada".
Dennoch wechseln ein paar Dosen "Cervesa" und Süssigkeiten für die Kinder den Besitzer.
Santa Rosa de Cabal ist bekannt für seine Thermalquellen. So sitzen wir schon bald in den heissen Pool's vor einer wunderschönen Naturkulisse. Hier fliesst der Rio Sana Rosa über einen mit Moos und Farnen bedeckten Wasserfall, der sich durch den heissen Dampf der Quellen wie ein Gemälde im Tropen-Dschungel presentiert.
Die Wachs Palmen im Tal des Cocora
In Salento, wo wir heute übernachten, betreibt Jorge, ein Althippie, schon seit 12 Jahren einen Campingplatz. Wie er mir erzählt, wollte er auch mal die Panamericana bereisen, aber irgendwie sei er hier hängengeblieben und nun der "Sklave des Campingplatzes."
"Aber irgendeinmal werde ich den ganzen Krempel verkaufen und wieder auf Achse sein!"
Unweit des schönen Städtchens "Salento", mit seiner für diese Region typischen farbigen, kolonialer Architektur, werden wir angefeuert mit: "Hopp Schwiz, hopp Schwiz".
Kurz darauf sitzen wir schon mit den Luzernern Silvia und Pirmin in der Dorfkneipe, zwei Tische mit wackligen Holzstühlen, und berichten über unsere Reisen. Auch sie haben das selbe Ziel, das "Valle de Cocora".
Dieses Tal ist berühmt für seine Wachspalmen, die schnurgerade gegen den Himmel wachsen und seine Wandermöglichkeiten. Der Nationalbaum Kolumbiens, die Wachspalme, ist die höchste Palmenart und kann bis 60 Meter hoch werden. Wir wandern ein paar Stunden durch die schöne Natur auf 2400 Metern und geniessen die Abgeschiedenheit und die Stille. Friedlich grasen Kühe auf den saftigen Weiden, die ein wenig an die schweizer Alpen erinnern, wenn nur die hohen Palmen nicht wären.
Im Sumpf Eingebrochen
Wie schon so oft in letzter Zeit fragen wir bei einer Hazienda, ob wir hier übernachten können. Der junge Mann meint: " Fahrt nur rein. Der Garten ist gross. Ihr könnt stehen wo ihr wollt. Bezahlen müsst ihr nichts, denn das ist ein kleines Geschenk an euch".
Freudig fahren wir in den Garten und versinken wenig später bis zu den Achsen in einem Schlammloch. Beim Versuch, aus dieser misslichen Lage wieder heraus zu kommen, bricht das 4 Tonnen schwere Auto immer tiefer ein. Nun sitzt der Abwassertank, sowie der Benzintank, schon auf dem feuchten Rasen auf und die Blattfeder ist im Morast versunken. Welch ein Schlamassel!
Als einzige Lösung heisst es nun "budeln, was das Zeug hält". Die ganze Erde unter dem Suri muss weggeschaufelt werden, damit der Unterboden wieder frei wird. Nun kommen erstmals die mitgeführten Sandbleche zum Einsatz, aber die ersten zwei Versuche misslingen kläglich. In der Zwischenzeit ist es schon stockdunkel. Ruth leuchtet mit der Taschenlampe und ich schaufle wie ein Verrückter.
Endlich, nach fast 3 Stunden, sind wir dank Untersetzung und Differenzial Sperre wieder in Horizontaler Lage. Meine Hände sind mit Blatern bespickt und sehen aus, wie nach einem Tag heuen auf der Alpwiese.
Auch der ursprünglich grüne Rasen gleicht mehr einem Wochenend-Lager von Maulwürfen.
Am nächsten Morgen versuchen wir den Landschaden ein wenig zu beheben und beim Versuch, endgültig aus dieser Pech Zone rückwärts herauszufahren, bleiben wir an der Hauskante des Holzschopfes hängen. Ein lautes Knirschen ertönt und wie könnte es anders sein, haben wir soeben ein Loch in der Aussenhülle unseres Suri eingefangen.
Wenn es jetzt noch zu regnen anfängt, besteht die Gefahr, dass der GFK Schaum die Feuchtigkeit aufsaugt und das Ganze instabil wird.
In der nächsten grösseren Stadt finden wir allerdings einen Spezialisten, der sich mit Polyester auskennt und den Schaden fachmännisch behebt. Glück im Unglück!
Das Silicon Valley der Damen Welt
Im Südwestlichen Kolumbien, speziell in Cali und Popayan, geniessen wir es, die Menschen zu beobachten. Diese Gegend hat sich weltweit als führendes Zentrum der Schönheitchchirurgie entwickelt. Schönheit, das merkt man schnell, ist eine Leidenschaft und die Resultate sind wahrlich beeindruckend. Nirgendwo sonst haben wir derart viele aufgetunte Dekoltés gesehen.
Die Einheimischen haben die Gegend "Silicon Valley"getauft, was weniger an einer florierender Computerbranche als vielmehr an dem grossen Anteil gut "bestückter" Damen liegt, die ihre neuerhaltene Körperfülle hier gerne zur Schau stellen.
Da uns Mutter Natur aber mit einer immensen Fülle an natürlicher Schönheit gesegnet hat, verzichten wir hier wohlwollend auf eine plastische Operation und schonen lieber unseren Geldbeutel!!!
Lieber genehmigen wir uns an der "Plaza de la Cultura" einen feinen Espresso und bestaunen das in strahlendem Weiss glänzende Städtchen. Wir kommen mit einem Kolumbianer ins Gespräch und er ratet uns ab, die Thermalquellen im Hinterland zu besuchen, wo wir die nächste Nacht verbringen wollten.
"Erst vor 3 Monaten ist ein guter Freund von mir in dieser Gegend entführt worden und immer noch in Geiselhaft. In letzter Zeit ist diese hügelige Bergregion wieder vermehrt Guerillia Gebiet."
Diese Argumente überzeugen, wir lassen die Thermes aus und fahren direkt über Pasto zu der "Laguna de la Cocha".
Beim hinausfahren aus der Stadt halten wir ein paar Minuten am Strassenrand, um die Karte zu studieren. Zufällig sehen wir in der Rückfahrkamera, wie sich jemand an unseren Fahrrähdern zu schaffen macht. Sofort steige ich aus, sprinte nach hinten und sehe gerade noch, wie ein Mann die Riemen unserer Drahtesel löst. Während ich lautstark fluche und mit der Polizei drohe, läuft er nur achselzuckend weiter.
Es wird uns wieder bewusst, dass man das Fahrzeug nie unbeaufsichtigt stehen lassen kann. Speziell in grösseren Städten ist die Diebstahlgefahr gross.
Die Laguna la Cocha, eine der schönsten und grössten die wir bislang gesehen haben, liegt auf fast 3000 Meter. Die Familie Sulzer aus der Schweiz baute hier ein grosses Anwesen mit Restaurant und Hotel, ganz im heimeligen Chalet Stil. Eigentlich freuten wir uns, die Besitzer kennenzulernen, aber sie sind schon seit 5 Jahren gestorben und die neuen Inhaber sind Kolumbianer.
Trotzdem dürfen wir auf ihrem Gelände, direkt beim See, unser Suri über Nacht stehen lassen.
Santuario de las Lajas
Diese neogotische Kirche, nicht unweit der Grenze nach Equador, wurde zwischen 1926 und 1944 auf einer Brücke über einer spektakulären Schlucht erbaut. Mitte des 18. Jhs. soll ein Bildnis der Jungfrau Maria an einem Stein über dem Fluss erschienen sein. Tausende von Pilgern aus ganz Kolumbien und Südamerika strömen das ganze Jahr über an diesen geweihten Ort und bringen kleine Tafeln an, mit den Wundern, die sich hier ereignet haben.
Auch wir bedanken uns für das Glück, dass wir bislang gesund und ohne Probleme reisen durften.
Heute gehen für uns vier abwechslungsreiche Wochen in Kolumbien zu Ende. Trotz negativen Medienberichten haben wir uns meistens sicher gefühlt, genossen die abwechslungsreiche Landschaft und haben viele interessante und nette Leute kennengelernt.