Reisebericht 08 / Grande Prairie (Alberta) - Dawson City (Yukon Territories / 4. Juli 2009 - 20. Juli 2009 / km 13'000 - 17'500
Reiseroute: Grande Prairie, Dawson Creek, Fort Nelson, Watson Lake, Campbell Highway, Carmacks, Dempster Highway, Inuvik, Dawson City
Wie oft hatten wir zu hause in den vergangenen Jahren davon geträumt, Alaska Highway. Nun sind wir hier! Jedoch ist eine Reise per Auto in die Nordwestregion Canadas und Alaskas, heuzutage kein sonderlich riskantes Abenteuer mehr. Bis Ende de 1970er- Jahre dagegen, als selbst der Alaska Highway noch überwiegend aus Schotter bestand, waren solche Touren nicht unproblematisch. In den letzten 10 Jahren hat sich aber die Befahrbarkeit dieser in den hohen Norden führenden Strasse, erheblich verbessert.
In Fort Nelson besuchen wir das interessante Museum, das insbesonders über den Bau der Alaska Highway berichtet. Die 2'230 km lange Strecke zwischen Dawson Creek in British Columbia und Delta Junction in Alaska, wurde in nur 6 Monaten in die Wildnis geschlagen. Der Ursprung dieser Schotterpiste liegt in den Wirren des zweiten Weltkriegs und den Bemühungen der amerikanischen Armee, Alaska vor einer drohenden japanischen Invasion zu bewahren. Nach Absprache mit den kanadischen Nachbarn wurde im Frühjahr 1942 mit dem Bau der ersten Überlandstrasse begonnen, die Alaska mit den "lower fortyeights" ( den übrigen 48 Staaten) verbinden sollte. Nur damit konnte eine ausreichende Versorgung der in Alaska stationierten US-amerikanischen Truppen gewährleistet werden. Mit einem gewaltigen Aufwand an Menschen und Material wurde diese Schotterpiste von 11'000 eingesetzten US-Soldaten in die Wildnis geschlagen.
Als echte Allwetterstrasse war der Alaska-Canada Highway aber erst ein gutes Jahr später zu benutzen, denn trotz aller Feierlichkeiten konnte der "Highway" zunächst nur von Bulldozern befahren werden und bereits 1943 musste die gesamte Trasse saniert und teils sogar verlegt werden
Nach Fort Nelson, einem weiteren ehemaligen Pelzhandelsposten der North West Company, gewinnt die Alaska Highway zunehmend an Attraktivität. Wir überqueren etliche Flüsse und Bergtäler und sehen direkt neben der Strasse zwei Schwarzbären, einen Grizzly, der sich auf die Hinterbeine stellt, Karibous, einige Moos und eine Herde wilder Bisons. Es ist, als fährt man direkt durch einen Zoo. Beim Stone Mountain Provincial Park, erreichen wir mit 1'295 m den höchsten Punkt des Alaska Highway. Am Strassenrand können wir die Mineralsalz leckenden Berg-Dallschafe betrachten, die sich durch uns absolut nicht gestört fühlen.
Ein weiterer Höhepunkt auf diesem Streckenabschnitt ist der Liard River Hot Springs Provincial Park. Über einen Holzplankenweg kommen wir zu den weitgehend naturbelassenen und von üppigem, beinahe suptropischem Grün umgebenen Badepools im Wald. Es hat hier heisse Quellen, wo mineralreiches Wasser aus insgesamt acht Pools sprudelt.
Abends um 10 Uhr geniessen wir zum 2. Mal ein ausgiebiges Bad in dem bis 53°C warmen Pool, denn es wird erst vor Mitternacht ein wenig dunkel. Wenn nur die stechenden Moskitos und Blackflies nicht wären, dann könnte es ein kleines Paradies sein.
Bei Watson Lake, das ansonst nicht viel zu bieten hat, darf man auf keinen Fall den Sign Post Forest nicht verpassen. Zahlreiche Besucher aus aller Welt haben hier Wegweiser, Autokennzeichen, Orts- und andere in irgendeiner Form beschriftete Schilder an einen der vielen Holzmasten genagelt. Mittlerweile ist die bunte Schildersammlung auf nahezu 70'000 angewachsen. Da wir nicht auf das Nidwaldner Nummernschild verzichten können, kleben wir wenigstens zwei Stanserhorn Sticker mit unseren Namen an den bunten Schilderwall. Der heimwehkranke Soldat Carl Lindley aus Danville, Illinois, USA, hat während der Bauarbeiten am Alaska Highway mit einem Schild seines Heimatortes den Anstoss zu dieser Sammlung gegeben. Andere Arbeiter, Lastwagenfahrer und später unzählige Touristen folgten seinem Beispiel.
Da es manchmal auf der Alaska Highway mehr US-Wohnmobile als PW's hat, beschliessen wir in Watson Lake, die alternativ Route nach Carmacks zu nehmen. Es ist jene Campbell Highway, von der uns im Tourist Office so abgeraten wurde. 580 km Schotterstrasse ohne jegliche Versorgungsmöglichkeit, zuviel Lastwagenverkehr von den entlegenen Minen-Trucks, zu schlechte Strassenverhältnisse, da es in letzter Zeit stark geregnet hat und sich die Fahrbahn in eine Schlamm- und Wellblechpiste verwandelt hätte. Nach all der "guten" Nachricht wollen wir es aber trotzdem versuchen.
Nachdem der Reifendruck auf die Hälfte reduziert ist, fährt sich unser Suri ganz passabel auf der Schotterstrasse. Nach 80 km Staub-
schlucken, zweigen wir ab zum Simpson Lake Campground. Es ist einer von 7 Yukon Government Campgrounds, die auf der Campbell Highway verstreut sind. Ausser uns steht dort nur ein Trailer auf diesem, direkt am gleichnamigen See gelegenen, Campingplatz. An diesem glasklaren aber kalten See, befreien wir uns bei einem erfrischenden Bad von unserer Staubschicht. Spät Abends geniessen wir noch bei einem knisternden Lagerfeuer die wunderschöne, einsame Umgebung. Für diese 580 km Schotterpiste sollte man mindestens 3 Tage einkalkulieren, etwa das doppelte, als für die direkte Route. Dafür wird man entschädigt durch grossartige Natur und eine kaum berührte Gegend. Das macht sie zum Geheimtip für Leute, die Einsamkeit suchen, ohne in entlegenere Regionen reisen zu wollen.
Lange hatten wir in den vergangenen Tagen überlegt, sollen wir den Dempster Highway hinauf nach Inuvik befahren oder nicht? Schlussendlich haben wir uns doch entschieden, diese 1500 km lange Schotterstrasse unter die Räder zu nehmen. Viele Reisende, die wir in letzter Zeit angetroffen haben, sprachen voller Begeisterung von dieser geschotterten Strasse und nur der Dempster Highway führt in Kanada bis über den Polarkreis hinaus. Diesen "ewigen Tag" möchten wir gerne im hohen Norden erleben, denn zwischen dem 25. Mai und dem 18. Juli geht die Sonne in Inuvik nicht unter. Dafür sehen die Bewohner zwischen dem 6. Dezember und 5. Januar gar kein Sonnenlicht.
Zunächst verläuft die Strasse durch Waldland und steigt dann schon bald zu den Ogilvie Mountains hinauf. Hier hat man einen gran-
diosen Ausblick über die baumlosen Hochtäler und die zackigen Berge entlang des Blackstone River.
Hier, auf dieser Schotterstrasse, treffen wir auf eine schottische Familie, die mit Fahrrädern unterwegs ist. Der Vater fährt mit seiner 8 jährigen Tochter auf dem Tandem und die Mutter mit einem Fahrrad, samt kleinem Anhänger, hinterher. Sie ist eine ehemalige Lehrerin, die ihre Tochter jeden Tag ca. 2 Stunden unterrichtet. Auch ihr Ziehl ist in etwa 2 Jahren Patagonien, wo wir uns wiedersehen wollen. Voller Hochachtung vor dieser entbehrungsreicher Leistung, verabschieden wir uns voneinander.
Schon bald fängt es zu regnen an und die Strasse verwandelt sich in eine Schlammpiste. Jetzt sind wir erleichtert, als wir aus dem Nebel das kleine Hotel "Eagle Plains" auftauchen sehen. Langsam kommt nun wieder die Sonne durch die Wolken und die ganze Pracht dieser Tundra-Ebene kommt zum vorschein. Wir beobachten einen Rotfuchs beim Mäusefangen und bestaunen eine Elchkuh, die gemähchlich durch einen See schwimmt. Alle 2 Minuten taucht sie unter, um kurz darauf Seegras mampfend wieder aufzutauchen.
Nun befinden wir uns nördlich des 66. Breitengrades, im Land der Mitternachtssonne. Im Herbst und Winter soll es hier wimmeln von Karibus der Porcupine-Herde, aber im Moment sehen wir nur die endlose Tundra. In Fort McPherson überqueren wir mit einer Fähre den riesigen Mackenzie River und sind nun im Northwest Territories. Hier beginnt das Reich der Bären und Elche, welche die Zahl der Einwohner bei weitem in den Schatten stellt. 1,2 Millionen Quadratkilometer bei 45'000 Einheimischen, noch einsamer als der Yukon und so menschenleer, dass der Ausdruck leer schon fast untertrieben scheint. Strassen gibt es so gut wie keine, ein paar Pisten im Süden und nur eine im Norden, den Dempster Highway, bis hinauf ans nördliche Eismeer. Der Verkehr findet durch die Luft und auf dem Mackenzie statt, der von seinem Delta bis hinauf zum Sklavensee schiffbar ist
Endlich, nach 750 km, treffen wir in der 3500 Leute zählenden Stadt Inuvik ein. Die meisten Einwohner sind Déné-Indianer, Inuit und ein paar weisse Regierungsangestellte. Inuit bedeutet "Mensch", "Eskimo" stammt aus der Spache der Déné-Indianer und heisst "Rohfleischesser". Die Ahnen der Inuvit überquerten vor ungefähr 1000 Jahren die Bering-Landbrücke nach Alaska und kamen so in die Northwest Territories.
Hier, am schönen Campingplatz am Mackenzie River, treffen wir wieder auf Sonja und Markus, wo wir bei einem Glas Weisswein bis am Morgen um 4 Uhr, die Nacht durchquatschen. Nacht kann man eigentlich nicht sagen, denn es ist taghell und wir können immer die Sonne sehen, wie sie blutrot über dem Horizont steht.
Nun heisst es wieder zurück. Die gleiche Schotter- und Schlammpiste, bis zur südlich gelegenen Alaska Highway, unter die Räder zu nehmen. Nach 750 km beginnt wieder die Asphaltstrasse und wir sind glücklich, die Dempster Highway ohne Reifenschaden und Loch in der Scheibe überstanden zu haben. Andere, die wir unterwegs kennengelernt haben, hatten da weniger Glück.
Nach einem erholsamen Abend in einem Saloon in Dawson City, beschliessen wir, es wäre wieder etwas Abenteuer an der Zeit. So mieten wir bei Tom, einem Bootsverleiher in Dawson, ein Kanu für die nächsten 5 Tage. Jetzt brauchen wir nur noch genügend Lebensmittel für die folgenden Tage, bevor wir uns von Tom in das 150 km entfernte Stewart Crossing fahren lassen. Von hier möchten wir mit unserem Kanu zurück nach Dawson City paddeln. Zuerst über den Stewart River, der nach etwa 120 km in den Yukon River mündet und der nach insgesammt 250 km wieder zurück nach Dawson fliesst.
Schon nach 3 Stunden rudern, überfliegt uns ein Helikopter, der unmissverständliche Handzeichen gibt, dass wir ihm zu seinem Landeplatz auf der nächsten Sandbank folgen sollen. Natürlich machen wir uns Gedanken, was der von uns will. Hat er meine Angelroute auf dem Kanu entdeckt, für die ich keine Angellizenz im Yukon Territories gelöst habe, oder will er uns wohl von den vielen gefährlichen Bären warnen?
Nein, es kommt ganz anders. Der Pilot steigt aus und teilt uns unter ohrenbetäubendem Motorenlärm mit: "Rudert höchstens noch 2 bis 3 Meilen, denn weiter vorne tobt ein riesiger Waldbrand und die Rauchschwaden vernebeln den ganzen Fluss. Morgen wird es bestimmt ein wenig besser sein und ihr könnt getrost weiter fahren."
Natürlich befolgen wir seinen Ratschlag und fahren schon bald eine kleine Insel an. Da wir keinen unliebsamen Bärenbesuch in unserem Nachtlager möchten, stellen wir pflichtbewusst das Zelt etwa 100 Meter von unserem Lagerfeuer auf. Auch auf die Windrichtung muss geachtet werden und dass man die Lebensmittel, samt Kleidung die man beim kochen trägt, midestens 4 Meter über dem Boden aufhängt.
Nach einer erstaunlich guten Nacht auf hartem Untergrund, ohne Bärenbelestigung, geht es voller Tatendrang früh morgens weiter. Wir wollen schliesslich die verlorene Zeit von gestern wieder aufholen, sodass wir noch rechtzeitig in Dawson eintreffen. Doch bald sehen wir die ersten Rauchschwaden und in der Ferne ist schon das Buschfeuer auszumachen. Immer dichter wird der beissende Rauch. Die Ufer sind durch die brennenden Augen fast nicht mehr auszumachen. Doch es gibt kein zurück. Hier müssen wir einfach durch. Die Sonne ist nur noch als kleiner,verschwommener, rotgelber Ball auzumachen und eine Besserung ist leider nicht in Sicht.
Doch am nächsten Tag verziehen sich die Rauchschwaden und die endlosen Wälder kommen wieder zum Vorschein. Gemähchlich paddeln wir am Fluss Ufer entlang und beobachten Elche, die uns genauso erstaunt ansehen, wie wir sie.
Aus der Ferne ist ein Gewitter im Anzug und schon hören wir das erste Donnergrollen. So legen wir schnellstmöglich am Ufer an und bauen das Zelt auf. Wie sich leider erst später herausstellt, haben wir mit jener Insel keine gute Wahl getroffen. Es ist eine grosse Sandinsel und da der Wind nun gedreht hat, blasen die Sturmböen den ganzen Sand direkt in unser Zelt. Man sieht die Hand nicht mehr vor den Augen und wir fühlen uns wir in der Sahara. In der Zwischenzeit sind die Spaghetti gar und es beginnt wie aus Kübeln zu regnen. Was bleibt uns anderes übrig, als in das mit Sand gefüllte Zelt zu fliehen. Zu allem Übel ist das Zelt nicht wasserdicht und bald bildet sich eine grosse Wasserlache auf dem Sandboden. So sitzen wir in unserem Zelt mit aufgesetztem Regenschutz und essen "genüsslich" die feinen Spaghetti direkt aus der Pfanne, während dem uns die Regentropfen auf den Kopf fallen.
Am fünften Tag sieht alles schon viel besser aus und am Nachmittag erreichen wir abgekämpft, aber stolz und glücklich, unser Ziehl Dawson City. Jener Kanutrip über 250 km wird uns sicher ewig in Erinnerung bleiben.